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Der Schutz der galvanischen Barriere in einem Netzteil

Bei der Entwicklung geometrisch kleiner AC/DC- bzw. DC/DC-Wandler ist die Unterbringung von Thermosicherungen (Bild 2) problematisch, deshalb wurde eine andere Methode zum Schutz der galvanischen Barriere, die auf der Ausnutzung der Curietemperatur magnetischer Stoffe beruht, entwickelt. Bei der Curietemperatur Tcu, die in den Datenblättern der Hersteller für die entsprechenden Materialien definiert ist, verringert sich die relative Permeabilität µr(B,T) eines magnetischen Werkstoffes (Ferrit) auf nahezu eins, d.h. der Ferrit trägt nicht mehr zur Bündelung des magnetischen Flusses bei. Oberhalb der Curietemperatur gilt für die Permeabilität

\begin{displaymath}\mu =\mu _{0}*\mu _{r}\left( B,T\right) =\mu _{0}*1\end{displaymath}



der magnetische Widerstand erhöht sich über die Länge des Ferrites. Der Abfall der relativen Permeabilität µr(B,T) vollzieht sich abrupt über einige Grad ( Diagramme des Ferritherstellers für die Materialien N27 und N30).

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Bild 12: Verhalten der Permeabilität bei steigender Temperatur des Ferritmaterials N27

\resizebox* {1\columnwidth}{!}{\rotatebox{270}{\includegraphics{n30.eps}}}

Bild 13:Verhalten der Permeabilität bei steigender Temperatur des Ferritmaterials N30

Über dieser Curietemperatur ist im magnetischen Sinne der Ferrit praktisch nicht mehr existend.

Die Folge davon ist,

a)dass sich die Induktivität L der Wicklungen signifikant verkleinert und damit dem Wechselstrom einen viel geringeren Widerstand entgegensetzt und

b)dass das Übertragungsverhalten zwischen Primär- und Sekundärseite so beeinflusst wird, dass eine Leistungsübertragung von der Primär- zur Sekundärseite ganz erheblich erschwert wird.

Wenn jetzt ein Teil des magnetischen Kreises aus einem Material mit einer wesentlich niedrigeren Curietemperatur Tcu als die Erweichungstemperatur Terw des Isolationsträgers (Spulenkörper) ausgeführt wird, diese Curietemperatur jedoch höher als die maximale Arbeitstemperatur Ta (Ta<Tcu<Terw) ist, so werden im Fehlerfall thermische Verluste im Ferrit dazu führen, dass sich ab einer bestimmten Temperatur Tcu, die niedriger, als die Erweichungstemperatur des Spulenkörpers ist, die Induktivität sprunghaft verringert. Selbst in unkontrolliert schwingenden Eingangskreisen eines AC/DC- bzw. DC/DC-Wandlers wird, resultierend aus der abfallenden Induktivität L1prim, der Primärstrom rapide ansteigen und eine im Primärkreis befindliche Schmelzsicherung trennen und somit die Stromzufuhr sicher unterbinden. Der AC(DC)/DC-Wandler wird durch das Sperrwandler-IC (IC1), welches die Steuerung und Taktung des Wandlers übernimmt, aktiv betrieben (Bild 14). Ströme und Verlustleistungen werden im ordnungsgemässen Betriebsfall überwacht, und in dieser Situation werden keine Gefährdungen der Isolationsstrecke erwartet.

\resizebox* {1\columnwidth}{!}{\rotatebox{270}{\includegraphics{tny255.eps}}}

Bild 14: Prinzipschaltbild eines eigensicheren Exi-Weitspannungsnetzteiles mit den Schutzmassnahmen für die Sicherung der Isolationsbarriere am Übertrager (N30-Ferrit und Sicherung F1 mit Sicherungswiderstand R1 )und am Optokoppler (R2)

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Bild 15: Oberseite der Platine eines eigensicheren Exi-Weitspannungsnetzteiles mit N30-EF16-Übertrager. Die Vorschriften verlangen zwischen Netz- und Ausgangskreis einen Kriechweg von 3,3mm unter Lack und eine Isolation von 1mm festen Kunststoff zwischen den Kammern des Übertragers. Die Relais haben hier keine Funktion im Zusammenhang mit dem Netzteil

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Bild 16: Unterseite des eigensicheren Exi-Weitspannungsnetzteiles mit Sperrwandler-IC und dem zur Regelung notwendigen Optokoppler mit 2mm-interner Isolation. Die oberen Optokoppler sind für anderweitige Relaisansteuerungen gedacht und haben für die Netzteilfunktion hier keine Bedeutung

In Gefahrensituationen wird nicht davon ausgegangen, dass das Sperrwandler-IC noch irgendeine Regelfunktion übernehmen kann, sondern es wird eine Fehlerfallanalyse durchgeführt, die folgende Annahmen macht:

a) Es tritt der Fall ein, dass ein Fehler im IC (Kurzschluss durch das Durchlegieren von Drain und Source des Ausgangsmosfets des ICs), das IC aber nicht mehr oszilliert. Dabei wird die Sicherung F1 (125mA) ausgelöst, sobald Gleichstrom über die niederohmige Wicklung L1prim (max. 3 Ohm) fliesst. Gehen wir davon aus, dass bei diesem Fehlerfall bei Anliegen von Netzspannung 250V an der Sicherung F1 nur ein maximal dauerhaft fliessender Strom von 0,125 A auftreten kann. Diese Verlustleistung darf nicht zur thermischen Zerstörung der Isolation des Übertragers führen:

Der Widerstand der Spule L1prim ist bei Netzspannung 50Hz/60Hz naeherungsweise der ohmsche Widerstand des Kupferdrahtes, der abhängig von der Stärke und der Länge des Drahtes ist.

Bei DC/DC-Wandlern mit hohen Oszillatorfrequenzen ist der Ohmsche Widerstand verhältnismässig gering und beträgt in der Regel nur wenige Ohm. Als Beispiel haben wir einen Übertrager mit einer Primärwicklung mit 40 Windungen, wobei der Gleichstromwiderstand nicht 3 Ohm (in der Praxis sind es 1,3 Ohm bei 0,14mm Kupferdraht, 40 Windungen auf EF16-Kern) übersteigt:

Für unsere Verlustleistungsberechnung sind nun alle Grössen vorhanden, wir berechnen die Leistung, die maximal an der Spulenwicklung auftreten kann . Die maximale Verlustleistung an der Spule L1prim ergibt sich (unter Einrechnung des 1,7fachen Sicherungsstromes und eines Sicherheitsfaktors von 1,5) wie folgt:

\begin{displaymath}P_{vmax}\left( L1prim\right) =\left( I_{max}\left( L1prim\right) \right) ^{2}*R_{max}\left( L1prim\right) *1,5\end{displaymath}

\begin{displaymath}=(0,125A*1,7)^{2}*3\Omega *1.5\end{displaymath}

\begin{displaymath}=\left( 0,212A\right) ^{2}*3\Omega *1,5\end{displaymath}

\begin{displaymath}=0,20W\end{displaymath}

In Versuchen im Zusammenhang mit der Zulassung des Übertrager wurde festgestellt, dass bei dieser Verlustleistung von 200mW bei einer Umgebungstemperatur von Ta = 70°C an der Wicklung L1prim keine Gefahr der Zerstörung der Isolation ausgehen kann  

b) Die Möglichkeit, dass das Sperrwandler-IC unkontrolliert mit hoher Amplitude (bis 350V) oszilliert, aber seiner Kontrollfunktion aus Fehlergründen nicht mehr nachkommt und die Sicherung F1 noch nicht durchtrennt wird und somit eine eventuell hohe Verlustleistung (Wärmeentwicklung im Ferrit) im Übertrager entsteht, lässt sich grundsätzlich nicht ausschliessen, es kann aber durch die oben beschriebene physikalische Tatsache ein Durchbrennen der Isolationsstrecke verhindert werden:

Der Spulenkörper besteht z.B. aus dem Kunststoff der Fa. BASF mit einer max. Gebrauchstemperatur (über mehrere Stunden) von 220 °C (Bild 17).

\resizebox* {1\columnwidth}{!}{\includegraphics{uebt.eps}}

Bild 17: Schematischer Aufbau eines EF16-Kernes, der aus einer Hälfte N30 und aus einer Hälfte N27 aufgebaut ist. Der Kunststoffträger besteht aus einem Material, dessen Erweichungstemperatur über 220°C beträgt. Primär- und Sekundärspule sind in getrennten Kammern untergebracht, um die Kriechwege von 3,3mm unter Lack und die 1mm starke Isolierung zu garantieren.

\resizebox* {0.5\columnwidth}{!}{\includegraphics{ferrit.eps}}

Bild 18: Fotografie des EF16-Übertragersystems

Das magnetische Übertragungsmedium im Wandler setzt sich aus einer Kernhälfte EF16 aus dem Material N30 der Fa. Siemens mit einer Permeabilität µi=4300 und einer Curietemperatur Tcu= 130°C und der zweiten Kernhälfte aus einen E16 aus dem Material N27 mit einer Permeabilität µi=2000 mit Luftspalt 0,06mm und mit einer Curietemperaturen Tcu=220°C. Der Kern hat in diesem Zustand einen definierten magnetischen Widerstand Rm für den magnetischen Fluss \( \Phi \).

Durch das undefinierte Oszillieren (Fehlerfall) des Sperrwandler-IC1 bei noch nicht durchtrennter Sicherung F1 kann Wärme im Übertragerkern erzeugt werden. Übersteigt die Temperatur des Kerns die 130°C, so wird oberhalb die zuerst einsetzende Curietemperatur Tcu(N30) diese Kernhälfte praktisch für den magnetischen Fluss \( \Phi \) zum sehr hohen magnetischen Widerstand (µi=4300 geht gegen 1, d.h. = Luft), die Induktivität sinkt nahe dem Wert ohne magnetischen Kern.

\begin{displaymath}L=\frac{Wi^{2}}{R_{m}}=Wi^{2}*\frac{\mu _{0}*\mu _{r}*A}{l}\end{displaymath}



\resizebox* {1\textwidth}{!}{\rotatebox{270}{\includegraphics{lvt.eps}}}

Bild 19: Verhalten der Induktivität einer Spule , die auf einem N30/N27-Ferritsystem aufgewickelt und erwärmt wurde. Die Induktivität sinkt oberhalb der Curietemperatur extrem und abrupt.

In Versuchen wurde

a)gemessen, dass die Induktivität einer Spule, die mit dem N30 Kern bestückt ist, schlagartig bei Erwärmung über die Curietemperatur sinkt (Bild 19). Dabei wurden zwei antiseriell gewickelte Heizpulen (Lheiz1 und Lheiz2) und eine Kupferspule (Ltest) auf den Wickelkörper (Bild 20) aufgebracht. Antiserielle Heizwicklungen deshalb, damit eine Gleichstromvormagnetisierung des Kerns durch den Heizstrom unterbunden wird.

\resizebox* {0.5\columnwidth}{!}{\includegraphics{heiz.eps}}

Bild 20: Versuchsaufbau eines erwärmten N30/N27-Übertragers mit einer Messspule und zwei antiseriell geschalteten Heizspulen. Die Temperatur am Ferrit wird mit einem Thermoelement gemessen, die Induktivität der Testspule mit Hilfe eines Induktivitätsmessers über die Temperatur verfolgt.  

b)gezeigt, dass eine Übertragerspule mit einem Ferritkern aus einer Hälfte N27 und einer aus N30 seinen Wechselstromwiderstand nach Erreichen der Curietemperatur Tcu(N30)=130°C signifikant verringert und der Strom massiv ansteigt und eine Sicherung von 125mA durchbrennt, ehe dass der Kunststoffisolationskörper sich thermisch verformt.

\resizebox* {0.7\columnwidth}{!}{\includegraphics{125ma.eps}}



Bild 21: Versuchsaufbau zum Nachweis des Durchtrennes der Sicherung beim Überschreiten der Curietemperatur. Die Spule wird mit Strömen unterschiedlicher Frequenzen durchflossen. Unterhalb der Curietemperatur ist der Arbeitsstrom noch gering, über dieser trennt er die Sicherung. Der Primärstrom steigt weit über den Arbeitsstrom, für den die Sicherung F1 im Eingangskreis konzipiert wurde. Die Sicherung brennt durch, bevor die Erweichung des Spulenkörpers bei mehr als 220°C eintritt (ggf. stellt sich ein thermisches Gleichgewicht zwischen 130 bis 160°C ein, dessen Temperatur aber wesentlich kleiner als die Erweichungstemperatur des Spulenkörpers von 220°C ist).

Der Spulenkörper erreicht nicht seine Erweichungstemperatur, die Isolationsstrecke bleibt intakt.

Als Nebeneffekt wird durch die gravierende Erhöhung des magnetischen Widerstandes (2 - 3 Zehnerpotenzen) der magnetische Fluss \( \Phi \) trotz Erhöhung der Magnetischen Motorischen Kraft MMK (in Amperewindungen, ca. 5fach aufgrund des Anwachsen des Primärstroms Iprim) extrem verringert, so dass auf der Sekundärseite die induzierte Spannung



\begin{displaymath}U_{sek}=-Wi_{sek}*\frac{d\Phi }{dt}\end{displaymath}



absinkt und so auch dort eine Leistungsbegrenzung eintritt.

So wird sicher der Übertragerisolationskörper im Falle des Gleichstromes bzw. Nahezugleichstromes und auch beim Oszillieren vor dem Durchschmelzen der Isolationsbarriere bewahrt.


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dietmar berndt
2001-07-01